UniHD


42-jährige Patientin mit Krampfanfällen



Anamnese
An Morgen des 06.01.07 war Frau L. plötzlich aus voller Gesundheit heraus bewusstlos geworden. Der Blutzucker war bei Bestimmung durch den Notarzt unterhalb der Nachweisgrenze gelegen.
Weiterhin bestanden seit zwei Jahren rezidivierende fragliche psychomotorische Anfälle mit Verhaltensstörungen und Verwirrtheitszuständen, für die großenteils eine Amnesie vorlag. Nun traten diese morgendlichen Episoden gehäuft auf. In den Nächten vor den Anfällen fiel oft ein frühmorgendliches Erwachen mit starkem Schwitzen auf. Nach Nahrungsaufnahme kam es dabei meist zur raschen Symptombesserung. Bei der Patientin bestand keine Übelkeit/Erbrechen, kein Zittern und kein vorbekannter Diabetes mellitus.

Diagnostik
Hungerversuch: Abbruch aufgund persistierender Hypoglykämie mit Symptombeginn (Abscencen). Bis dahin durchweg hochpathologische Insulin/Glucose Quotienten > 0.3 und BZ-Werte von minimal 23 mg/dl.

MRT Pankreas+MRCP nativ+KM: Das Pankreas zeigt li. paramedian im Corpus eine lediglich nativ zu erkennende, maximal 16 mm messende Läsion, die in der arteriellen und venösen Perfusionsphase in etwa sich der Signalintensität des Pankreas angleicht. Lokoregionär keine pathologisch vergrößerten Lymphknoten, der Pankreasgang unauffällig. MR-tomographisch Nachweis einer gut vaskularisierten, und gut 16 mm großen Läsion an der Vorderfläche des Pankreaskorpus li. paramedian, die gut vereinbar ist mit dem klinischen Bild eines Insulinom.
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Rö. Thorax in 2 Eb.:
Keine pleuralen Verschattungen, kein Anhalt für Erguß oder Pneumothorax, kein Anhalt für intrapulmonale Infiltrate. Retrosternalraum und Retrokardialraum frei einsehbar ohne zusätzliche Verschattungen.

Procedere
Nach biochemischen und bildgebenden Kriterien besteht der hochgradige V.a. das Vorliegen eines Insulinoms im Pankreaskopf. Es wurde die Indikation zur organerhaltenden Tumorresektion gestellt:
Pankreassegmentresektion mit Pankreatico-Gastrostomie des linken Pankreasanteils und Blindverschluss des rechten Pankreasanteils.
Intraoperativ stellte sich die Leber metastasenfrei dar, im Rest der Abdominalhöhle fand sich ebenfalls kein Anhalt für einen Tumor.

Makroskopie
1,8×1,3×0,8cm großes knotiges Exzisat mit beige-rötlicher, teils gelblich gallertiger Schnittfläche.

Virtuelle Mikroskopie

Tumorektomie Pankreas; HE

 

 

Diagnose
Gut differenzierter endokriner Tumor (Insulinom)

Mikroskopie
Erkennbar ist ein mehrknotiger endokriner Tumor mit fokal akzentuierter Stromasklerose. Die Zellen enthalten runde Kerne, deutliche Nukleoli, mäßig viel Zytoplasma und bilden Nester und Stränge. Der Tumor reicht bis in das peripankreatische Fettgewebe hinein und teilweise an den Präparaterand heran. Ein Blutgefäßeinbruch ist nicht nachweisbar. Die Mitoserate beträgt 1/10 HPF. Der Tumor reicht bis unmittelbar an den Präparaterand.

Immunhistologie
Die Ki67 Proliferationsrate ist regional variabel und beträgt in den proliferationsaktivsten Arealen mehr als 2% jedoch weniger als 5%. Es findet sich außerdem eine diffuse Positivität der Tumorzellen für Insulin und Synaptophysin, eine fokale Positivität für Somatostatin, bei Negativität für Glucagon.

Virtuelle Mikroskopie

Insulinfärbung

 

Synaptophysinfärbung

 

Ki-67 Proliferationsaktivität

 

Postoperativer Verlauf
Der o.g. Eingriff erfolgte in störungsfreier Allgemeinanästhesie. Der postoperative Verlauf gestaltete sich zunächst unauffällig. Die einliegenden Drainagen konnten zeitgerecht entfernt werden. Weiterhin stabilisierten sich postoperativ die Blutzuckerwerte zwischen 60 und 128 mg/dl.

Wenige Tage später fielen in der Laborkontrolle steigenden Leukozyten bis 20.000/µl und CRP bei 39mg/dl. Daraufhin wurde ein CT- Abdomen durchgeführt. In diesem zeigte sich ein Verhalt im Pankreasresektionslager. Unter der antibiotischen Therapie mit Ciprobay 2×750mg waren die Infektwerte sofort rückläufig und die Patientin konnte entlassen werden.

Ca. eine Woche später stellte sich Frau L. mit abdominellen Beschwerden erneut in der Klinik vor. Im Labor zeigte sich eine Infektkonstellation mit einer Leukozytose von 17.000 und einem CRP von 165. Das daraufhin erneut durchgeführte CT zeigte einen Restabszess im Resektionslager von 3×6,5cm, sowie entzündlich vergrößerte Lymphknoten im Bereich des Retroperitoneums. Es erfolgte die erneute Aufnahme zur Entlastung des Abszesses mittels einer interventionellen Drainage. In der Drainageflüssigkeit zeigten sich Amylasewerte von 962 U/l und Lipasewerte von 9545 U/l. Unter einer antibiotischen Therapie mit Zienam für insgesamt 5 Tage normalisierte sich das initiale Infektlabor. Während die Drainage am ersten Tag mit 200ml/24h noch recht viel förderte, nahm dies im weiteren stationären Verlauf ab. Am Entlassungstag wurde die Patientin über die amblante Kontrolle der Drainage aufgeklärt.

Weiterhin wurde die Patientin über die Abklärung auf das Vorliegen eines MEN-I-Syndroms informiert. In der folgenden Diagnostik bestand jedoch kein positiver Anhalt für MEN I. Eine Chemotherapie war nicht indiziert.

Weiterer Verlauf
Die Patientin ist im dritten postoperativen Jahr rezidivfrei und klinisch gesund.

Klinische Korrelation
Das Insulinom ist der häufigste neuroendokrine Tumor des Pankreas. In ca. 95% kommt es nicht zur Metastasierung. Das Insulinom tritt in 90% der Fälle solitär im Prankreas auf.

Bei der oben genannten Patientin besteht ein biochemisch und in der Bildgebung diagnostiziertes Insulinom, welches als Erstmanifestation generalisierte Krampfanfälle zeigte. Die Pat. wurde zunächst monatelang mit der Diagnose Epilepsie behandelt, bis sich herausstellte, dass die Hypoglykämien und damit das Insuliom der eingentliche Auslöser der Anfälle darstellten.

Die histologische Abschätzung der Dignität ist oft schwierig. Trotz Malignitätszeichen (Mitosen, unvollständige Kapsel, Pleomorphie, Gefäßeinbruch) kann klinisch ein gutartiger Verlauf ohne Metastasierung bestehen. Diese Formen rezidivieren jedoch nach der Exstirpation häufig. Das einzige sichere Malignitätskriterium stellt das Auffinden von Metastasen dar. Ein potentiell malignes Geschehen eines Insulinoms wird ab einer Größe von 2 cm erwartet. Hier solllte eine kurative großzügige Resektion von chirurgischer Seite erfolgen, z.B eine ppWhippel-OP, oder eine Pankeaslinksresektion+Splektomie. Weiterhin sollte eine Lymhpadenketomie und ggf. eine Resektion von Metastasen erfolgen.
Kann der Tumor nicht im Gesunden reseziert werden, sollte zur Kontrolle der Hypoglykämie ein Tumordebulking stattfindnen.

Da bei dieser Patientin der Tumor aufgrund seines invasiven Wachstums in das peripankreatische Fettgewebe ein erhöhtes Rezidivrisiko aufweist, wurde eine Tumornachsorge in regelmäßigen Abständen eine Tumornachsorge erfolgen.

Bearbeiter: Janina Wolf
Letzte Änderung: 17.06.2018