UniHD


54-jährige Patientin mit unklaren Oberbauchschmerzen



Anamnese
Seit zwei Tagen bestehende Schmerzen im Bereich des Epigastriums und des gesamten Oberbauchs mit Ausstrahlung in den Unterbauch einhergehend mit Fieber um 39°C. Vor zwei Wochen erstmals entfärbter Stuhl und Blähungen. Es bestand Appetit- und leichter Gewichtverlust (4 kg in 6 Wochen).

Stationäre Aufnahme bei V.a. Pankreaskopf-Karzinom und akuter Cholangitis bei Z.n. Stent-Implantation in den Ductus choledochus bei bekannter Raumforderung im Pankreaskopf.

Kein Ikterus, kein Pruritus, keine Diarrhoe oder Obstipation. Kein Erbrechen, kein Nachtschweiß, keine Dyspnoe, keine pectanginösen Beschwerden, keine Unterschenkelödeme.

Labor

Parameter Werte Normbereich
GOT 103 -50 U/l
GPT 109 -50 U/l
AP 172 40-130 U/l
GGT 338 60 U/l
Ges. Bili. 0.7 1,0 mg/dl
P-Amylase 6 8-53 U/l
Lipase 13 -51 U/l
CRP 21,6 -5 mg/dl
CA 19-9 29,2 -38,0 U/ml
CEA 4,9 -2,5 µg/l

Klinische Untersuchung
Reduzierter AZ und EZ.
Herz: HF: 70/min, rhymisch, RR: 130/70mmHg, Herztöne: rein.
Lunge: beidseits belüftet, vesikuläres Atemgeräusch, sonorer Klopfschall, keine RGs, keine Zyanosezeichen.
Abdomen: weich, regelrechte Darmgeräusche, Druckschmerz im Oberbauch bei Palpation, keine Resistenzen tastbar; Leber: nicht vergrößert tastbar, kein Ikterus, Milz: nicht tastbar.
Nierenlager: nicht klopfschmerzhaft.
Pulsstatus: Extremitätenpulse beidseits tastbar.
Neurol. Status: grob orientierend: neurologisch unauffällig. Muskeleigenreflexe seitengleich, Hirnnerven o.B., Pupillen: seitengleiche Reaktion auf Licht und Konvergenz, nicht entrundet
Keine weiteren Auffälligkeiten.

Bildgebung
Oberbauchsonografie: Leber mit homogener Struktkur und prominenten intrahepatisch gelegenen Gallenwegen, kein Stau der Lebervenen, kein Aszites. Gallenblase geringgradig vergrößert bei ausbleibender Dreischichtung. Milz nicht vergrößert mit homogenen Echomuster.
Nur schemenhafte Darstellung des Pankreas. Im Bereich des Pankreaskopf findet sich eine tumorsuspekte echoarme, unregelmäßig begrenzte, inhomogene Raumforderung mit 2,7 × 2,9 × 5,6 cm. Das Korpus ist bei ausbleibender Vergrößerung nur schemenhaft einzusehen. Der Schwanz ist nicht beurteilbar. Der Pankreasgang kommt mit einer Weite von 2 mm zur Darstellung. Der Stent stellt sich in der Raumforderung mit 3 mm Lumen dar.
ERCP: Die Sondierung des Gallenganges mit KM- Instillation zeigt keinen Aufstau der intrahepatischen Gallenwege. Aufgrund von Inkrustierungen und des schmalen Kalibers erfolgt ein Stentwechsel. Die anschließende jeweils selektive Darstellung der Gangsysteme zeigt eine hochgradige ca. 4-5 cm messende präpapilläre Choledochusstenose sowie eine Stenose des Dct. wirsungianus präpapillär mit diskretem Aufstau der proximalen Ganganteile im Sinne eines “double duct sign”.

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Abb. 369: ERCP der Gallengänge; erkennbar ist eine hochgradige ca. 4-5 cm messende präpapilläre Choledochusstenose sowie eine Stenose des D. wirsungianus präpapillär mit diskretem Aufstau der proximalen Ganganteile im Sinne eines "double duct sign"

Prozedere
Zur Abklärung der Raumforderung erfolgte eine pyloruserhaltende Pankreaskopfresektion mit Cholecystektomie. Intraoperativ konnte kein Tumor gesichert werden.

Makroskopie
OP-Präparat nach Whipple. Im Pankreaskopf ein ca. 2 cm großer, unscharf begrenzter, derber, grau-weißlicher Herdbefund. Anhängend die Gallenblase mit einem großen Cholesterin-Konkrement.

Virtuelle Mikroskopie

Histologie
Das exokrine Pankreas weist eine periduktal akzentuierte und teils storiforme Fibrose auf. Periduktal ein lymphoplasmazelluläres Entzündungszellinfiltrat mit Ausbildung von Lymphfollikeln. Fokal vaskulitische Veränderungen und granulozytäre Epithelläsionen (GELs).

Diagnose
Autoimmunpankreatitis.

Klinischer Verlauf
Der postoperative Verlauf gestaltete sich weitgehend unkompliziert.
Da aktuell postoperativ keine Beschwerden bestanden, ist bezüglich der Autoimmun-Pankreatitis derzeit keine weitere Therapie indiziert.

Im weiteren Verlauf entwickelten sich bei wiederholten Fieberschüben erneut leichte Oberbauchschmerzen. Hinzu kamen plötzlich auftretende Schwächeanfälle. Sonst keine weiteren Beschwerden, insbesondere kein Gewichtsverlust bei gutem Appetit.

Labor

Parameter Werte Normbereich
CEA 5,9 -2,5 µg/l
CA-19-9 1,9 -38 U/ml
Gamma GT 117 -60 U/l
GOT 64 -50 U/l
GPT 59 -50 U/l
IgG4-Spiegel 3,73 0,08 – 1,4 g/l

MRT: Geringe Erweiterung der intrahepatischen Gallenwege in Höhe der biliodigestiven Anastomose.

Procedere: Aufgrund der wiederholten Fieberschübe wurde eine vierteljährliche Kortison-Behandlung bei bekannter erneut aktiver autoimmuner Pankreatitis, die akuell auch die Cholangien betrifft, eingeleitet.

Die Kortisontherapie wurde vom Patienten gut vertragen, die Beschwerden waren rückläufig.

Kommentar
Die autoimmune Pankreatitis ist eine insgesamt seltene Erkrankung. In der Regel besteht keine Risikoanamnese wie für die “konventionelle” chronische Pankreatitis (z.B. Alkohol). Häufig ist der Gallengang mitbeteiligt, ferner ist eine Assoziation mit PSC, PBC, Colitis ulcerosa oder Sjögren-Syndrom möglich. Durch den meist herdförmigen Befall der Bauchspeicheldrüse stellt die autoimmune Pankreatitis eine wichtige bildgebende und makroskopische Differentialdiagnose zum duktalen Adenokarzinom des Pankreas dar.

Klinisch und histologisch wird die Autoimmunpankreatitis in zwei Subtypen unterteilt:

Typ 1 Typ 2
Alter sechste Lebensdekade vierte Dekade
Geschlecht vor allem Männer M=W
Histologie lymphoplasmozytäre, sklerosierende Entzündung lymphoplasmozytäre Entzündung
Storiforme Fibrose GELs
IgG4-Spiegel und IgG4-positive Plasmazellen erhöht normal
Bearbeiter: Janina Wolf
Letzte Änderung: 17.06.2018