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Silikose


Definition
Die Silikose (Synonym: coal worker´s pneumoconiosis, Quarzstaublungenerkrankung) zählt zu den Pneumokoniosen und damit zu den Lungenerkrankungen, die durch Inhalation von anorganischem Staub (meist Quarz) hervorgerufen werden.1,5 Sie ist die häufigste Pneumokoniose1,3 und entsteht vor allem bei Arbeiten in Stollenminen mit quarzreichem Gestern (Abbau von Blei, Gold, Silber, Kupfer),2,7 bei der Formsandverarbeitung5, in der Steinverarbeitung (Steinhauer/-metz),7 in der Glas-/Porzellan- und Keramikindustrie2,5 sowie bei Sandstrahlarbeiten.5 Die Entwicklung der Silikose hängt zum einen von der Staubkonzentration in der Atemluft,8 dem Anteil der alveolengängigen Staubfraktion, dem Gehalt an freier kristalliner Kieselsäure und der Art der Begleitstäube, zum anderen von der Expositionsdauer und der Reinigungsfähigkeit der Lunge ab.2,4 Die Silikose ist damit eine meldepflichtige Berufskrankheit und unter der BK-Nr. 4101 eingetragen.5 Häufiger als eine reine Quarzstaubsilikose sind Mischstaub-Pneumokoniosen bei Kohle-und Erzbergarbeitern.5,6,7 Bei den Mischstaubpneumokoniosen ist die Anthrasilikose am häufigsten.2,6 Die Silikose ist eine progrediente Erkrankung die im Endstadium zur Lungenfibrose führt und auch nach Beendigung der Staubexposition weiter fortschreit.4,6 Das Caplan-Syndrom ist eine Sonderform der Silikose, bei der es zusätzlich zu einer chronischen Polyarthritis kommt.5

Einteilung
Die Erkrankung kann in zwei verschiedenen Formen auftreten: Die akute und die klassische Silikose.1 Eduardo et al. beschreibt daneben noch eine dritte (intermediäre) Form, die progrediente Silikose, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird.3

Wesentliche Ursache der akuten Silikose ist eine massive Exposition gegenüber auslösenden Noxen.1,3 Diese Form führt zu einem frühen Erkrankungsbeginn, der ein Zeitraum von ca. 2 Jahren umfasst.3 Sie manifestiert sich gewöhnlich als Alveolitis, einhergehend mit einer alveolären Füllung (=alveoläre Silikoproteinose) und ist damit histologisch deutlich von einer klassischen Silikose zu unterscheiden.1 Radiologisch kommen u.a. Milchglastrübungen zur Darstellung.1 Der klinische Verlauf der akuten Silikose ist in der Regel progredient und endet frühzeitig im Tod durch pulmonales Versagen.1

Die klassische Silikose manifestiert sich in der Regel als chronische interstitielle retikulonoduläre Erkrankung. Sie kann weiter unterteilt werden in eine einfache und komplizierte klassische Silikose. Die einfache Silikose wird röntgenologisch durch ein Muster aus kleinen, runden bzw. unregelmäßigen Trübungen definiert, während die komplizierte Silikose (=progressive massive Fibrose) durch große Konglomerate und Trübungen gekennzeichnet ist. (Histologie vgl. Mikroskopie)

Pathogenese
Für die Entstehung von Silikoseherden ist die Aufnahme einer bestimmten kritischen Menge an kristallinem Siliciumdioxid erforderlich, wobei kristalliner Quarz, sowie SiO 2 -Verbindungen mit einer alveolengängigen Körngröße von bis zu 6μm vorzugsweise die Entstehung der Silikose fördern.5 Die Partikel werden von Alveolarmakrophagen aufgenommen, die daran dann zu Grunde gehen3 und so die SiO 2 -Parikel wieder freigeben.5 Neue Makrophagen setzen den Prozess fort.5 Der hohe Zerfall an Makrophagen löst durch die Freisetzung von Zytokinen und TNF eine fibroblastische Reizwirkung aus,5,9 in deren Folge im Lungeninterstitium durch Neubildung von kollagenem und retikulärm Bindegewebe Knötchen entstehen, die sich aus staubhaltigen Histiozyten/Makrophagen, einem zellfreien Kern und einer kollagen Faserhülle zusammensetzen.5 Eine Schrumpfungstendenz der Knötchen mit Ausbildung eines perifokalen Emphysems ist nicht selten.5 Durch Zusammenlagerung der Knötchen können sich größere Schwielen bilden.5

Makroskopie
Makroskopisch finden sich die meist blass-grauen Granulome in vorzugsweise in den Ober- und Untergeschossen der Lunge.1,9 Im weiteren Erkrankungsverlauf können die Granulome vernarben,9 und in der meist vergrößerten Lunge ein Honigwabenmuster entstehen.9 Bei lymphogener Elimination der Staubpartikel lassen sich gleichartige Veränderungen in den Hiluslymphknoten nachweisen.6,9 Finden sich in den LK Verkalkungen, spricht man auch von Eierschalen-Lymphknoten.6 Mit fortschreitender Schwielenbildung kommt es zu narbigen Einengungen des Bronchialbaums mit Ausbildung eines perifokalen Narbenemphysems.6

Mikroskopie
Frühe Läsionen der Silikose zeigen kleinste knotenförmige Ansammlungen von Makrophagen mit gespeicherten Staubzellen.7 Im weiteren Verlauf finden sich histologisch konzentrisch aufgebaute Granulome.1,3 Sie bestehen aus einem hyalinisierten Zentrum und einem schmalen Saum eines zellreichen Faserbindegewebes (Fibroblastensaum), in dem sich reichlich sog. Staubzellen nachweisen lassen (einfache klassische Silikose).1,3,7 Mit zunehmender Krankheitsdauer können die Granulome zu größeren Schwielen konfluieren (komplizierte klassische Silikose).1,7 Diese können durch ischämische Nekrosen zentral erweichen.2 Mit Hilfe der Polarisationsmikroskopie lassen sich die Silikatkristalle gut darstellen.9

Klinik
Klinische Symptome sind abhängig vom Schweregrad der Erkrankung.6 Die leichte, noduläre7 Silikose ist in der Regel asymptomatisch.5 Auskultatorisch präsentieren sich die Patienten meist unauffällig.5 Im Frühstadium finden sich lediglich im Röntgen Thorax weit verstreute kleine Verschattungen als Äquivalent zu den silikotischen Herden.6 Es besteht jedoch keine Korrelation zwischen den radiologischen Befunden und den Symptomen der Patienten).2,5 Klinisch manifest werden Konglomeratsilikosen erst durch Komplikationen wie chronisch obstruktiver Bronchitis, Emphysem, Infektionen und Cor pulmonale.7 Weitere Symptome bei fortgeschrittener Silikose umfassen Husten, Dyspnoe2 bis zur Belastungsdyspnoe, später auch ein gräulich verfärbtes Sputum).5,6

Diagnostik

Bildgebung
Die radiologischen Befunde der Silikose werden nach der International Labour Organisation (ILO) klassifiziert).3,5 Bei dieser Klassifikation wird auf eine allgemeine Angabe zum Schweregrad der Erkrankung verzichtet. Viel mehr findet hier eine formelhafte Kurzbezeichnung silikotischer Herde bezüglich der Größe, der Verbreitung in den verschiedenen Lungenfeldern und der Anzahl der Herdbildungen Verwendung.6
Zu Beginn der Erkrankung kommt es zu einer maschenförmigen Verstärkung der Lungenzeichnung , aus der diffuse kleine rundliche Fleckschatten entstehen, die meist kleiner als 10mm sind und sich vorzugsweise in der oberen oder unteren Etage der Lunge aufhalten.3,5 Diese Herde können nach ihrem Durchmesser in P (bis 1,5mm), Q (bis 3mm) und R (bis 10mm) eingeteilt werden.5,6 Die Form unregelmäßiger Herdbildungen wird angegeben mit S (<1,5mm) T (1,5-3mm) und U (3-10mm),6 und die Ausdehnung, bzw. Streuung der röntgenologischen Veränderungen wird nach 3 Hauptstufen klassifiziert, von denen jede nochmals in 3 Drittelstufen unterteilt ist, so dass insgesamt 9 Stufen existieren (0/1, 1/0,1/1, ½,2/1, 2/2, 2/3, 3/2, 3/3).5 Dabei gilt der Streuungsgrand 1/0 als Verdacht, 1/1 hingegen schon als sichere eben beginnende Silikose.5 Größere Schwielenbildungen werden nach ihrer Ausdehnung eingeteilt in A (0-5cm), B (zwischen A und C) und C (größer als rechtes Lungenoberfeld, >1/3 der Lunge).5,6
Zusätzliche Befunde wie eine Beteiligung der Pleura, ein Emphysem oder eine Tuberkulose werden gleichfalls mit Symbolen belegt.6
Eine Beteiligung der Hilus- und mediastinalen Lymphknoten ist häufig.3 Bei Verkalkungen der Randsinus kann es zum Bild des „Eierschalenhilus“ kommen, was charakteristisch für die Diagnose der Silikose ist.3,5
Es ist anzumerken, dass mit dem konventionellen Röntgen Thorax nicht zwangsläufig alle silikotischen Läsionen entdeckt werden müssen.2

Lungenfunktion
Obwohl die Silikose im Endstadium in einer Lungenfibrose endet, und damit eine restriktive Ventilationsstörung darstellt, liegt dennoch häufig eine gemischte obstruktiv-restriktive Störung vor, die meist jedoch erst im Stadium der verschwielenden Silikose auftritt.5 Die Funktionseinschränkungen in der Ventilation werden in erster Linie mit Lungenfunktionsprüfungen objektiviert.2 Diese Prüfungen umfassen die Spirometrie mit Flussvolumenkurve, die Ganzkörperplethysmografie, ein Bronchodilatationstest bei Obstruktion und/oder Lungenblähung, die Bestimmung der CO-Diffusionskapazität, eine BGA in Ruhe und nach submaximaler Belastung, und wenn nötig auch eine Spiroergometrie.2 Weiterhin zählt zur Routinediagnostik ein EKG, und bei Hinweisen auf eine Druckerhöhung im kleinen Kreislauf auch die Doppler-Echokardiografie.2

Diagnose
Bei der Diagnosestellung spielt die Berufsanamnese und damit die belegte stattgehabte Exposition gegenüber silikogenen Stäuben2,3,8 neben der Klinik,8 der Lungenfunktion,2 dem röntgenologischen Befund2,3,5,8 und wenn vorhanden der Histologie2 eine wichtige Rolle. Sollte beim konventionellen Röntgen Thorax Zweifel an der Erkrankung bestehen, ist ein HRCT in Erwägung zu ziehen.2
In der gutachterlichen Praxis wird die Silikose erst als entschädigungspflichtige BK anerkannt, wenn eine Einschränkung der Lungenfunktion und im Röntgen Thorax ein Streuungsrad von mindesten 2/3 oder Vorliegen großer Schatten nachgewiesen werden können.2,5

Differentialdiagnose

  • Von der Silikose abzugrenzen sind andere Formen der Pneumokoniosen wie z.B.: Asbestose, Talkose , Anthrakose, Beryliose und Aluminose.4
  • Differentialdiagnostisch sind vor allem granulomatöse Lungenerkrankungen wie z.B.: die Sarkoidose und eine Lungentuberkulose auszuschließen.2
  • Bei bestehender Dyspnoe sollte differentialdiagnostisch neben kardialen Ursachen auch an eine mögliche Lungenembolie gedacht werden und im Zweifel ein Angio-CT erfolgen.2

Therapie
Eine spezifische Behandlung der Erkrankung ist nicht möglich.3,8 Wichtig ist die Expositionsvermeidung,3 sowie eine konsequente Behandlung von Infektionen oder einer komplizierenden Obstruktion um ein Fortschreiten der Erkrankung zu minimieren.3,5 Bei bestehender Obstruktion kann mit inhalativen Steroiden und Bronchodilatatoren ein Therapieversuch gestartet werden.5

Komplikationen

  • Es besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Tuberkulose, besonders wenn es sich um alte Tuberkulosen handelt, die durch silikotische Herde, etwa im Bereich alter Spitzenherde oder besonders im höheren Alter in den Hiluslymphknoten reaktiviert werden.1,3,4,5,6,8
  • Die Patienten zeigen eine erhöhte Infektanfälligkeit, die in der Regel mit gehäuftem Auftreten bronchopulmonaler Infekte einhergeht.5
  • Eine weit fortgeschrittene Silikose mit Schwielenbildung und Lymphknotenbeteiligung kann durch die Einengung der zentralen Bronchien über eine Ventilationsstörung zu einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung führen.4,5,6
  • Perfusionsstörungen durch Einengung der Lungenstrombahn, vor allem aber eine Vasokonstriktion bei alveolärer Hypoxie führen zu einer pulmonalen Hypertonie mit konsekutivem Cor pulmonale, bis hin zur Rechtsherzinsuffizienz.2,4,5,6
  • Es besteht weiterhin eine Erhöhung des Lungenkrebsrisikos im Vergleich zur nicht exponierten Bevölkerung5 Eine silikotische Narbe kann durch Umlenkung des Luftstroms zu einer vermehrten Deposition von Karzinogenen führen. Sie ist damit ein begünstigender Faktor für die Kanzerogenese und kann Ausgangsort eines BC sein.1,6,8
  • Patienten mit Silikose haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer progressiven systemischen Sklerose5

Prognose
Die Prognose wird vor allem durch das Auftreten von Komplikationen bestimmt.1,5 Selten entwickelt sich eine frühe Silikose, die meist nach massiver Quarzstaubexposition auftritt.5 In der Regel besteht jedoch meist eine Latenz zwischen 10 und 15 Jahren bis zur Ausbildung einer klinisch fassbaren Silikose.5 Auch nach Beendigung der Exposition kann die Erkrankung fortschreiten.5,9 Durch präventive Maßnahmen ( Beendigung des Rauchens,2 Staubbekämpfung,5 Masken mit Feinstaubfilter,5 regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen5 und Impfungen2 ) sowie durch frühe Diagnosestellung8 kann die Prognose entscheidend verbessert werden.5

Weiterführende Literatur

  1. Pneumoconiosis-Comparison of Imaging and Pathologic Findings
    S. Chong et al., Pneumoconiosis: Comparison of Imaging and Pathologic Findings; RadioGraphics 2006; 26:59-77

  2. Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)
    Baur et al., Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose); S2-Leitlinie nach AWMF-Schema der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin; Pneumologie 2008: G2:659-684; Georg Thieme Verlag

  3. Review Article-Tuberculosis and silicosis
    C. E. G. Barboza et al.; Review Article-Tuberculosis and silicosis: epidemiology, diagnosis and chemoprophylaxis; J. Bras Pneumol. 2008; 34(11):961-968

Weitere Literatur zum Thema

Referenzen

1 S. Chong et al., Pneumoconiosis: Comparison of Imaging and Pathologic Findings; RadioGraphics 2006; 26:59-77

2 X. Baur et al., Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose); S2-Leitlinie nach AWMF-Schema der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin; Pneumologie 2008: G2:659-684; Georg Thieme Verlag

3 C. E. G. Barboza et al.; Review Article-Tuberculosis and silicosis: epidemiology, diagnosis and chemoprophylaxis; J. Bras Pneumol. 2008; 34(11):961-968

4 W.Remmele, Pathologie Bd. 2 Verdauungstrakt, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2. Auflage 1996

5 Gerd Herold und Mitarbeiter, Innere Medizin 2010

6 W. Böcker, Pathologie; Elsevier GmbH, München, 4. Auflage 2008

7 C.Thomas, Spezielle Pathologie; Schattauer Stuttgart-New York, 1996

8 Ch. Martinez et al., Silicosis: a Disease with an Active Present; Arch Bronconeumologica 2010; 46(2):97-100

9 S.L. Robbins, R.S. Cotran; Pathologic Basis of Disease; W.B. Saunders Company 5 th Edition

Bearbeiter: Janina Wolf
Letzte Änderung: 29.07.2012

Lehrtexte Spezielle Pathologie

  Respirationstrakt - Non-Tumor  

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Organpathologie-Atlas

Weiterführende Literatur