Definition
Beim Morbus Wegener handelt es sich nach der Chapel-Hill Konsensus-Konferenz von 1992 um eine granulomatöse Entzündung der Atemwege mit nekrotisierender Vaskulitis, die vorwiegend die kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen und Arterien) betrifft, und mit ulzerierenden, nicht verkäsenden Granulomen im Bereich des oberen und unteren Respirationstraktes (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx und Lunge) sowie mit einer Beteiligung der Nieren (Glomerulonephritis (RPGN3 ), Mikroaneurysmen) einhergeht.2,6 Die Erkrankung kann sich auf alle Organsysteme des Körpers ausweiten.2 Ca. 2/3 der Patienten zeigen bei der Erstmanifestation eine pulmonale Beteiligung, etwas mehr als ein Drittel präsentieren sich mit einer RPGN.3,5 Davon entwickeln aber zwischen 80-90% der Patienten im weiteren Verlauf eine Nierenbeteiligung5.Die Wegener Granulomatose ist von den ANCA-assoziierten Vaskulitiden am häufigsten5.Epidemiologie
M. Wegener kann Patienten unterschiedlichen Alters betreffen, findet sich jedoch gehäuft im 5. Lebensjahrzehnt4. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen4. Die Prävalenz beträgt in etwa 5/100000, die Inzidenz 0,9/100000/Jahr10Pathophysiologie
Die granulomatöse Histopathologie und der Nachweis eines dominierenden TH-1-Zytokinmusters der pulmonalen Lymphozyten sprechen für eine zelluläre Immunreaktion (Typ IV-Reaktion nach Gell und Coombs)9. Die Entstehung der Granulome beruht auf der Aktivität von T-Zellen und T-Zellzytokinen1. Der Erkrankungsbeginn im Respirationstrakt legt die Beteiligung eines exogenen Agens nahe. Es ist nachgewiesen, dass die Besiedlung der Schleimhäute durch Staph. aureus mit einer erhöhten lokalen Krankheitsaktivität und einer erhöhten Rezidivrate einhergeht, und eine Reduktion der Rezidivhäufigkeit durch eine antiinfektive Therapie erzielt werden kann9.
Im vaskulitischen Generalisationsstadium stellen die Neutrophilen die zentrale Effektorzellpopulation dar. Die Bindung von PR3-ANCA an die auf der Neutrophilenoberfläche exprimierte PR3 zur Zellaktivierung und Initiierung einer neutrophilenabhängigen Entzündungsreaktion ist führend. Folge sind Endothel- und Gefäßschäden1. Sowohl in der Lunge aus auch in der Niere wurden lokale Neutrophilendegranulationen bei aktiver Erkrankung und eine Korrelation zwischen Krankheitsaktivität und Neutrophilenaktivierung nachgewiesen. Der ANCA-Serumtiter korreliert in der Mehrzahl der Fälle mit der Krankheitsaktivität9.
Makroskopie
In den Lungen finden sich multiple, im Durchmesser bis 2cm große Knoten, mit entweder solidem Aufbau oder zentral kavernenartig zerfallen. Die große Variabilität pulmonaler Manifestationen bei der WG ergibt sich aus dem dualen Charakter dieser Erkrankung. Granulomatöse extravaskuläre Manifestationen im unteren Respirationstrakt präsentieren sich zum einen als Lungenrundherde aufgrund intraparenchymaler Läsionen oder als interstitielle Mikrogranulome, während sich der Befall der unteren Atemwege als ulzerierende Tracheobronchitiden und entzündliche, häufig stenosierende Pseudotumoren des Bronchialsystems manifestiert7.
Mikroskopie
Pathohistologisch ist der M. Wegener durch eine nekrotisierende granulomatöse Entzündung der kleinen Gefäßwände gekennzeichnet.
Abb. 523: Pulmonale Vaskulitis mit entzündlichen Infiltraten
Diese geht innerhalb der Lungen einher mit multiplen Nekrosearealen umgeben von Einblutungen, kleinen Mikroabszessen, bronchoalveoläre Entzündungen12, Fibrosen12 und Granulomen4. Die Parenchymnekrosen können als Mikroabszesse (65% der Fälle) oder als landkartenartige Nekrosen (85% der Fälle) vorkommen12. Fibrinoide Nekrosen werden von palisadenartig gestellten Histiozyten und von Riesenzellen begrenzt12. Morphologisch entwickeln sich die zur Nekrose neigenden Granulome aus Epitheloidzellen, Riesenzellen des Fremdkörper oder Langhans-Typs, Lymphozyten, Plasmazellen und Eosinophilen11.
Abb. 443: Auf der linken Seite eine mehrkernige Riesenzelle, rechts daneben zwei kleine Nekrosen
An mittelern und keinen Arterien und kleinen Venen sind proliferative und nekrotisierende entzündliche Veränderungen nachweisbar. Auch die pulmonalen und bei Generalisation später auch in allen Organen auftretenden Herde sind ähnlich aufgebaut11. Entscheidend für die Differentialdiagnose gegenüber pulmonalen granulomatösen Infektionen ist der Nachweis der nekrotisierenden Vaskulitis, besonders der mittleren muskulären Arterienäste und Venen11.
Die WG stellt morphologisch insofern eine Besonderheit dar, als neben einer Vaskulitis – häufig dieser vorangehend – eine extravaskuläre entzündliche Komponente auftritt. Daher besteht die klassische histopathologische Trias der WG aus einer granulomatösen extravaskulären Entzündung mit landkartenartigen Nekrosen und einer (teils nekrotisierenden) Kleingefäßvaskulitis7.
Aufgrund der herdförmigen Verteilung der Gewebeläsionen müssen Biopsien gezielt aus läsionalem Gewebe entnommen werden. Da der obere Respirationstrakt bei der Mehrzahl der Patienten involviert ist, empfiehlt es sich, Biopsien aus der Nasenschleimhaut und den NNH zu entnehmen9. Es gilt bei Biopsieentnahme zu beachten, dass nicht alle Kriteren der WG mit nekrotisierenden Granulomen und Vaskulitis in einer Biopsie vollständig vorhanden sein müssen. Eine WG ist daher aufgrund einer negativen Biopsie nicht immer definitiv auszuschließen, vielfach gelingt die Diagnosestellung nur kumulativ aus mehreren Biopsien unter Einbeziehung der klinischen und serologischen Daten7
Bei der BAL zeigt sich eine lymphozytäre Alveolitis7.
Klinik
Klinisch unterscheiden sich zwei Stadien:2,3
1. Lokal begrenztes Initialstadium: Erkrankung des Respirationstraktes ohne Nierenbeteiligung und ohne systemische Vaskulitis.10 Hierbei handelt es sich um eine vorwiegend granulomatöse Form der Erkrankung, die gerne chronisch verläuft. [2] Sie betrifft ca. 1/3 der Patienten3. Das Stadium umfasst:
2. Vaskulitisches Generalstadium mit möglichem pulmo-renalem Syndrom10 (rasch progredienter Verlauf der Erkrankung2 ): Sie betrifft ca. 2/3 der Patienten3
Beide Stadien können koexistieren2.
Diagnostik
Diagnose
Das American College of Rheumatology hat für die Diagnosestellung des M. Wegener eine Klassifikation herausgebracht, in der mindestens zwei oder mehr Kriterien erfüllt sein müssen4,9:
Diese Merkmale dienen der Unterscheidung anderer Vaskulitiden4.
Differentialdiagnose
Therapie
1.Lokal begrenztes Initialstadium:
Monotherapie mit Kortikosteroiden, Azathioprin oder MTX5. Manche Autoren empfehlen auch die Gabe von Cotrimoxazol5. (2×1 Tabl. zu 160mg Trimethroprim und 800mg Sulfamethoxazol10) Längerfristige Remissionen in 2/3 der Fälle10.
2.Generalisationsstadium mit lebens- oder organbedrohlichem Verlauf:
Unabhängig vom Stand der Therapie ist es unabdingbar ein Drugmonitoring als auch eine krankheitsspezifische Überwachung durchzuführen, um ein erneutes Aufflammen der Erkrankung, sekundäre Infektionen oder eine mögliche Medikamententoxizität so früh wie möglich zu erkennen5.
Komplikationen
Prognose
In der Mehrzahl der Fälle ist die WG eine chronisch rezidivierende Erkrankung, die eine langfristige klinische und Serologische Überwachung erfordert. Während die Nierenbeteiligung ein wesentlicher Faktor für die Frühmorbidität/-mortalität ist, tritt mit zunehmender Krankheitsdauer, die pulmonale Morbidität in den Vordergrund9.
Noch vor 20 Jahren lag die Mortalitätsrate bei M. Wegener bei 80% 1 Jahr nach Diagnosestellung, heute kann mit modernster Therapie eine initiale Remission erzielt werden, obgleich Rückfälle nichts ungewöhnliches darstellen3. Ca. 40-65% der Patienten mit Wegener Granulomatose erleiden trotz Therapie einen Rückfall5,6. Mit Hilfe von Steroiden und Cyclophosphamid kann in bis zu 75% eine komplette Remission erzielt werden4. Je mehr granulomatöse Entzündung sich im Körper findet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einen Rückfall nach initialer Remission zu bekommen3. Langfristig besteht ein 2,4-faches Risiko eine pulmonale Neubildung zu entwickeln4. Zu beachten sind auch die Nebenwirkungen unter fortlaufender Therapie. Ca. 42% der Patienten im National Institutes of Health series erlitten Folgeerkrankungen aufgrund der CYC –Theapie. Als Beispiel seien Knochenmarkssuppressionen, Infektionen, Unfruchtbarkeit und Blasenerkrankungen genannt.6 Prognostisch ungünstige Faktoren umfassen ein fortgeschrittenes Alter, eine schwere Niereninsuffizienz, eine alveoläre Blutung und eine Positivität für Proteinase(PR)35.
Weiterführende Literatur
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6 C. A Langford, Review: Wegener’s granulomatosis: current and upcoming therapies, Arthritis Res Ther 2003, 5:180-191
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10 Gerd Herold und Mitarbeiter, Innere Medizin 2010
11 W.Remmele, Pathologie Bd. 3 Leber, Galle, Pankreas, Atemwege, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2. Auflage 1996
12 C.Thomas, Spezielle Pathologie; Schattauer Stuttgart-New York, 1996
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Bilder
Abb. 443: Auf der linken Seite eine mehrkernige Riesenzelle, rechts daneben zwei kleine Nekrosen
Abb. 523: Pulmonale Vaskulitis mit entzündlichen Infiltraten
Respirationstrakt - Non-Tumor - weitere Lehrtexte
Respirationstrakt - Non-Tumor - Kasuistiken
Organpathologie-Atlas
Weiterführende Literatur