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3.1 Akute Entzündung


Die Einteilung erfolgt nach Art des entzündlichen Exsudats. Dabei entspricht die Reihenfolge in etwa dem Schweregrad der Entzündung. Andererseits läßt aber auch die Art des Exsudates gewisse Rückschlüsse auf die Art der Erkrankung oder auf den Erreger zu.

Man unterscheidet demnach:

  • Seröse Entzündung
  • Fibrinöse Entzündung
  • Eitrige Entzündung
  • Hämorrhagische Entzündung

3.1.1 Komponenten der Infektionsabwehr

Die Infektabwehr besteht aus einer angeborenen Immunität und einer erworbenen, spezifischen und adaptativen Immunität.

Die angeborene Immunität wirkt früh und unspezifisch (erste 96 Stunden) und setzt sich aus physiologischen Barrieren und einer zellulären Abwehrkomponente zusammen.
Intaktes Epithel von Haut/Schleimhaut schützt vor dem Eindringen von Krankheitserregern. Die Sekretion von u.a. Fettsäuren, Muzinen bestimmt den lokalen pH-Wert und bildet mit Defensinen und Faktoren des Komplementsystems eine chemische Barriere. Die lokal normale Mikroflora stellt eine komplementär wirkende mikrobiologische Barriere. Granulozyten, Makrophagen und NK-Zellen sind Teil der angeborenen, zellulären Immunität.

Die erworbenen Immunität kommt erst zu einem späteren Zeitpunkt (>96 Stunden) zum Tragen. Die Aktivierung erfolgt einerseits durch Lymphokine und Interleukine, die von Zellen der angeborene Immunität sezerniert werden. Zudem ist für diesen spezifischen und adaptiven Abwehrmechanismus die Interaktion unterschiedlicher Komponenten der erworbenen Immunität erforderlich. Hierbei spielt neben der Interaktion von verschiedenen Immunzelltypen (z.B. Antigenpräsentation) auch die Funktionsfähigkeit der lymphatischen Organe (z.B. B-Zell-Selektion, Antikörperbildung, spezifische humorale Abwehr) eine wesentliche Rolle.

3.1.2 Formen der akuten Entzündung

1. Seröse Entzündung: Das Exsudat enthält Eiweißstoffe, deren Zusammensetzung in etwa der des Blutplasmas entspricht. Fibrin und Leukozyten fehlen aber weitgehend.

Beispiele sind:

  • seröse Entzündungen der Schleimhäute wie der Katarrh (Schnupfen), ausgelöst durch Viren oder allergisch bedingt (Atopie).
  • Entzündungen der serösen Häute der Körperhöhlen bezeichnet man als Serositis (bzw. je nach Lokalisation als Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis). Hierbei treten seröse Ergüsse (Pleuraerguss, Perikarderguss, Aszites) auf. Im Bindegewebe verursacht die seröse Entzündung bei leichter Reizung (Insektenstich, chemische Reizung) ein Ödem.

2. Fibrinöse Entzündung: Bei der fibrinösen Entzündung kommt es zur Exsudation von Vollplasma und zur Spaltung von Fibrinogen zu Fibrin. Auf Schleimhautoberflächen führt die Gerinnung zu graugelblichen Belägen (pseudomembranöse Entzündung).

Beispiele sind:

  • fibrinöse Pharyngitis bei Diphterie, bei der Fibrinmembranen den Rachen bedecken.
  • fibrinöse Tracheitis und Bronchitis bei Grippe.
  • fibrinöse Perikarditis (“Zottenherz”) bei Urämie.
  • pseudomembranöse Kolitis, als Nebenwirkung von Antibiotika (bedingt durch Toxin-bildende Clostridioides difficile-Stämme).

3. Eitrige Entzündungen: Hier kommt es zur Rekrutierung segmentkerniger Leukozyten (neutrophiler Granulozyten). Dies tritt insbesondere bei einer bakteriellen Entzündung (Eiter, Pus) auf. In Abhängigkeit vom Erregertyp unterscheidet man zwischen der phlegmonösen und der abszedierenden Entzündung.

  • Phlegmone: Sie beschreibt eine flächenhafte eitrige Infiltration des Bindegewebes, welche von einer Gewebsnekrose begleitet wird. Die Entzündung kann rasch fortschreiten, da es zu keiner Abkapselung der Erreger kommt. Typische Erreger sind Streptokokken.

Beispiele: Appendizitis, Tonsillitis, Erysipel

  • Abszess: Eiteransammlung in einem durch Gewebszerfall neu entstandenem Hohlraum. Im Verlauf entwickelt sich eine Abszesskapsel. Typische Erreger sind Staphylokokken.

Beispiele: Impetigo, Zahnabszess, Spritzenabszess, Brustdrüsenabszess.

  • Empyem: Hier kommt es zu einer Eiteransammlung in einem vorgebildeten Hohlraum.

Beispiele: Gallenblasenempyem, Pleuraempyem.

4. Hämorrhagische Entzündung: Bei dieser Entzündungsform kommt es zu einer Beimengung von Erythrozyten im Entzündungsexsudat. Ursache ist meist eine Schädigung der Gefäßwände. Typische Erreger sind unter anderem Rickettsien, Milzbrand und Pocken.

5. Gangräneszierende Entzündung: Bei dieser Entzündungsform kommt es zu einer massiven Gewebsschädigung durch Nekrosen. Ursache kann eine Durchblutungsstörung, eine physikalische oder chemische Noxe oder ein (bakterieller/viraler) Krankheitserreger sein. Bei Besiedlung mit Fäulniserregern entwickelt sich eine feuchte Gangrän. Typische Erreger sind sporenbildende Anaerobier (z.B. Clostridien) oder nicht-sporenbildende Anaerobier wie Actinomyceten, Fusobacterium bacterioides oder Peptokokken.

6. Akute lymphozytäre Entzündung: Bei dieser Entzündungsform besteht typischerweise eine virale Genese. Beispiele sind die akute Virusmyokarditis (Erreger: Coxsackie-Viren, Ebstein-Barr-Virus, Influenza-Viren, u.a.) oder die Virushepatitis (Hepatitis A-E Viren).

3.1.3 Ausbreitung der Entzündung

  • Direktes Übergreifen (per continuitatem). Beispiel: Eitrige Zystitis, Pyelonephritis, Perinephritis
  • Kanalikuläre Ausbreitung. Beispiel: Aszendierende Infektionen im Urogenitaltrakt, in den Gallenwegen, der Leber sowie den Bronchien und der Lunge
  • Lymphogene Ausbreitung. Beispiel: Ausschwemmung von Bakterien in regionäre Lymphknoten (Lymphangitis, Lymphadenitis). Bei weiterem Fortschreiten besteht die Gefahr einer Sepsis!
  • hämatogene Ausbreitung. Beispiel: Ausschwemmung von Bakterien in die Blutbahn (Bakteriämie). Bei Erregeraussaat können sich septikopyämische Manifestationen in anderen Organen bilden. Typische Eintrittspforten sind die Haut (z.B. Wunden), die Mundhöhle (z.B. Wurzeleiterungen, Zahnextraktion, Tonsillitis), intravenöse Applikationen (z.B. Venenverweilkatheter), Urogenitalsystem (z.B. aszendierende Pyelonephritis, Zystoskopie) und oberer Atemwege (z.B. Pneumonie).

3.1.4 Heilung der akuten Entzündung

Die Heilungsvorgänge setzen ein, wenn die entzündungserregenden
Faktoren aufhören zu wirken.

  • Exsudation und Emigration stagnieren (Rückgang von Rötung und Schwellung).
  • Ausgetretene Flüssigkeit wird von Blut- und Lymphbahnen resorbiert.
  • Fibrin wird enzymatisch aufgelöst und von Makrophagen resorbiert.
  • Ausgetretene Leukozyten und Erythrozyten kehren nicht in die Blutbahn zurück, sondern zerfallen und werden von Makrophagen abgebaut.
  • Lymphozyten und proliferierte Kapillaren überdauern am längsten. Sie sind auch noch später nachweisbar.

Ein klassisches Beispiel einer akuten Entzündung ist die Lobärpneumonie, die in histologisch unterscheidbaren Stadien verläuft:

Stadium Zeit Dominante Komponente Histologie
Anschoppung Stunden serös Hyperämie, alveoläres Ödem
Rote Hepatisation 2./3. Tag hämorrhagisch Hyperämie, Erythrozyten, Fibrin
Graue Hepatisation 4.-6. Tag fibrinös Fibrin, Erythrozytenzerfall
Gelbe Hepatisation 7./8. Tag eitrig Granulozyten, Detritus
Lyse/Regeneration ab 9. Tag resorbierend Lyse des Exsudates, Epithelregeneration

Bei optimaler Ausheilung steht am Ende eine restitutio ad integrum mit regulärem Lungengewebe.
Sofern die Zerstörung des Lungengewebes zu ausgeprägt war, kommt es zu einer Defektheilung mit Vernarbung (sog. Karnifikation).

3.1.5 Systemische Auswirkungen der Entzündung

Als Folge der Wirkung von endogenen (z.B. IL-1, TNF-alpha, PGE2) und exogenen (z.B. Lipopolysaccharid) Pyrogenen kann es bei einer akuten Entzündung zur Entwicklung von Fieber (Körpertemperatur >38,0 °C).

Im kleinen Blutbild entwickelt sich bei einer systemischen Entzündung eine Leukozytose (>10.000/ul). Bei Infektionen lassen sich im Differentialblutbild weitere Rückschlüsse auf die Fieberursache ziehen. Eine Granulozytose deutet in Richtung einer bakteriellen Infektion. Eine Lymphozytose lässt primär an eine virale Genese denken, während bei einer parasitären Infektion eine Eosinophilie richtungsweisend sein kann.

Veränderungen der Plasmaproteine resultieren aus der Akut-Phase-Reaktion in der Leber (u.a. C-reaktives Protein, Komplement, Fibrinogen) und einer infektbedingten Immunglobulinverschiebung (Hypergammaglobulinämie), was u.a. auch zur Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit beiträgt.

Eine Beispiel ist die Endokarditis, die sich häufig an den Herzklappen (Endokarditis valvularis) manifestiert. Die akute infektiöse Endokarditis ist eine foudroyant verlaufende, fieberhafte Entzündung, die zur raschen Zerstörung kardialer Strukturen führt. Degenerative Klappenveränderungen, Endotheldefekte an den Herzklappen, Herzvitien (hämaodynamische Alteration), Z.n. Klappenersatz und Konstellationen mit einer herabgesetzten Infektionsresistenz (z.B. Diabetes mellitus, Immundefizienz, Alkoholabusus) gelten als prädisponierende Faktoren. Neben Bakterien (z.B. Streptokokken, Staphylokokken, Enterokokken, Pneumokokken) kommen auch Pilze (z.B. Aspergillus, Candida) als mögliche Erreger in Betracht. Eine Sonderform ist die Endokarditis lenta, die durch Streptokkus viridans verursacht wird und einen milderen, subakuten Verlauf darstellt.
Folge der lokalen Gewebsdestruktion sind Klappenfehler, ggfs. mit Entwicklung einer akuten Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, Myokardabszessen und/oder einer Perikarditis. Durch die Erregervermehrung auf den Klappenvegetationen kann es bei partieller Ablösung zu einer hämatogenen Streuung mit septikopyämischen Manifestationen in extrakardialen Lokalisationen (z.B. Splinter-Hämorrhagien, Löhlein´sche Herdnephritis, Herdencephalitis). Bei unzureichender Therapie entwickelt sich ein lebensbedrohlicher septischer Schock.

Bearbeiter: Thomas Longerich
Letzte Änderung: 1.01.2024