UniHD


67-jähriger Patient mit Heiserkeit und Schluckbeschwerden



Anamnese
Seit ca. einem Jahr bestehende, damals neu aufgetretene Heiserkeit, für die bei der letzten Abklärung keine Ursache gefunden werden konnte. Jetzt erneute Abklärung wegen zunehmender Schluckbeschwerden.

Laborwerte

Parameter Werte Normbereich
TSH 1.59 0.4-4.0 mU/l
FT4 10.9 8-18 ng/l
FT3 3.43 2.8-5.9 ng/l
CRP 3.3 <5 mg/l
Leuko 7.23 4.0-10.0/nl

Somit liegt eine euthyreote Stoffwechsellage vor.

Bildgebung
CT: Eine mehrere Zentimeter große Raumforderung zwischen Trachea, Wirbelsäule, Ösophagus und Schilddrüse rechtssseitig, wobei nicht sicher gesagt werden kann, ob diese von der Schilddrüse ausgeht.
Sonographie: Vergrößerte Schilddrüse mit beidseits multiplen, unterschiedlich großen, weitestgehenden echodichten Knoten.
Szintigraphie: Darstellung multipler kalter Knoten.
Bronchoskopie: Larynx: bekannte Stimmbandparese einseitig knapp oberhalb des Ösophaguseinganges; Trachea: keine Schleimhautunregelmäßigkeiten; Hypopharynx: unruhige Schleimhaut.
ÖGD: Normale Schleimhautverhältnisse im Ösophagus.

Procedere
In Anbetracht der Befunde bestand der dringende Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom. Es folgte die Hemithyreoidektomie auf der rechten Seite. Zur präoperativen Vorbereitung wurde ein HNO-Konsil durchgeführt.

Makroskopie
51 g schweres, 8 x max. 5 x max 3,5 cm messendes Schilddrüsenteilresektat rechts. Auf der Schnittfläche ein 4,5 cm durchmessender, unscharf begrenzter Tumor mit Nekrosen.

Virtuelle Mikroskopie

Diagnose

Großzellig-anaplastisches Schilddrüsenkarzinom.
Tumorklassifikation: pT4b, G4, R1.

Mikroskopie
Histologisch ein großzelliger, überwiegend diffus, teils auch solide und fokal drüsig wachsender maligner epithelialer Tumor mit hochgradigen Zell- und Kernatypien unter Einschluß teils bizarrer Kernformen. Entzündliches Begleitinfiltrat. Tumorgewebe wächst über die Schilddrüse hinaus und bricht in das anhängende Muskel- und Weichgewebe ein. Das Tumorgewebe fokal präparaterandbildend.

Klinischer Verlauf
Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos.
Der Patient stellte sich eine Woche später in der radiologischen Klinik der Universität Heidelberg zur perkutanen Radiatio vor.

Ein Vierteljahr später ergab die erneute Nachkontrolle eine ausgedehnte Metastasierung re. zervikal/supraklavikulär mit multiplen, teilweise in die Umgebung diffus infiltrierenden Raumforderungen. Weiterhin fanden sich multiple Lungen- und Lebermetastasen.
Es folgte die Bestrahlung der Weichteilmetastasen.

Klinische Korrelation
Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom macht ca. 2-5% der malignen Schilddrüsentumoren aus. Es entwickelt sich aus Follikelzellen der Schilddrüse. Das histologische Bild ist sehr variabel, häufig sind die Tumorzellen sehr pleomorph mit vielen Mitosen.

Die Mitosehäufigkeit erklärt das klinisch rasche Wachstum des hochmalignen Tumors. Die Inzidenz beträgt etwa 3/1.000.000 pro Jahr; Frauen sind 3 mal so häufig betroffen wie Männer. Eine höhere Inzidenz findet man bei älteren Patienten mit bestehender Struma (mittleres Alter zw. 63 und 74 Jahren). Die Mortalitätsrate beträgt über 90%, die mittlere Überlebenszeit 3-6 Monate nach Diagnosestellung.
Der Tumor infiltriert häufig die Nachbarnstrukturen wie Weichgewebe und Muskulatur (65%), Trachea (50%), Ösophagus (45% ), Larynxnerven und Larynx. Zum Diagnosezeitpunkt zeigen die meisten Patienten bereits Lymphknotenmetastasen und viele weitere (etwa 40% ) Fernmetastasen (in Lunge, Knochen und Gehirn).

Die Heiserkeit und Schluckbeschwerden sind typische klinische Symptome, und sprechen bereits für ein fortgeschrittenes Tumorwachstum.

Ein kurativer Ansatz ist aufgrund der Tumorausdehnung zum Diagnosezeitpunkt nur in wenigen Fällen möglich. Therapie der Wahl ist dennoch die chirugische Entfernung des Tumors, evtl. mit Nachbestrahlung/Chemotherpie. Bei potentiell nicht resektablen Tumoren kann man die Tumorlast durch Thyreoidektomie mit zentraler Lymphadenektomie reduzieren und anschließend bestrahlen/chemotherapieren. Begleitend sollte eine Hormonsubstition von 100 bis 150 μg Thyroxin (T4)/d durchgeführt werden. Eine Radiojodtherapie ist hier nicht zielführend, da die Jodspeichereigenschaft bei diesem undifferenzierten Tumor verloren gegangen ist.

Bearbeiter: Christa Flechtenmacher
Letzte Änderung: 17.06.2018