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Nierenzellkarzinom


Definition
Das Nierenzellkarzinom ist ein maligner epithelialer Tumor, der sich von unterschiedlichen Abschnitten des Tubulussystems oder den Sammelrohren ableitet.

Epidemiologie
Mit einem Anteil von 1-3% aller malignen Tumoren sind die Nierenkarzinome relativ selten. Die jährliche Neuerkrankungsrate beträgt in Europa ca. 5 pro 100000 Einwohner. Männer sind im Verhältnis 2,5:1 doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Ca. 80% aller Nierenzellkarzinome treten zwischen dem 50-70 Lebensjahr auf, bei einem Häufigkeitsgipfel im 6. Lebensjahrzehnt. Das Nierenzellkarzinom ist nach dem Prostata- und dem Harnblasenkarzinom das dritthäufigste urologische Malignom.

Risikofaktoren
Die Ursachen des Nierenzellkarzinoms sind bisher wenig bekannt. Als multifaktorielle Erkrankung spielt neben genetischen Faktoren auch Rauchen, Übergewicht, hormonelle Einflüsse, Umweltfaktoren, und chronische Niereninsuffizienz eine Rolle.

Genetik
Nierentumoren können familiär gehäuft auftreten, so dass bei den betroffenen Familien an eine hereditäre Disposition zu denken ist.

Sporadische Nierenzellkarzinome
Das klarzellige NierenCA ist der häufigste Tumortyp. Es ist meist einseitig im Bereich des Nierenkortex lokalisiert. Charakteristisch ist ein Verlust oder die Inaktivierung von Allelen am kurzen Arm des Chromosom 3 (3p). Mutationen am von-Hippel-Lindau-Gen (3p25-26) finden sich bei etwa 22% der Patienten. Das papilläre Nierenzellkarzinom findet sich häufig mulitfokal und bilateral. Trisomie 7 und 17 sowie der Verlust des Y-Chromosoms sind typische Veränderungen.

Familiäre Syndrome
Es wurden mehrere vererbbare Formen des Nierenzellkarzinoms beschrieben, die mit entsprechenden genetischen Veränderungen assoziiert sind:

  • Von Hippel Lindau Desease
  • hereditäres papilläres Nierenzellkarzinom
  • hereditäres leiomyomatosis Nierenzellkarzinom
  • Birt Hogg Dubé Syndrom
  • Tuberöse Sklerose
  • Familiäres renales Onozytom

Makroskopie
Am häufigsten finden sich einseitig lokalisierte Tumoren, die in der Regel an den Nierenpolen anzutreffen sind. Sie messen meist zwischen 3-5cm , und haben eine hellgelbe bis grauweiße Schnittfläche, die Nekrosen, Blutungen und Zysten erhalten kann. Teilweise bilden sie zum angrenzenden Parenchym eine Pseudokapsel. Bereits weit fortgeschrittene Tumoren können das Nierenbecken, perirenale Fettgewebe oder die Nierenvenen infiltrieren. Manchmal entstehen Tumorthromen (Zapfen), die über die untere Hohlvene bis in den re. Vorhof reichen.

Histopathologie
Als Ursprungsort des Nierenkarzinoms gelten die Zellen des proximalen Tubulus (klarzelliges und chromophiles Karzinon). Distaler Tubulus und die Sammelrohre dienen dagegen selten als Ursprung.
Aufgrund der morphologischen Veränderungen der Zelle und insbesondere des Zellkerns werden in die Tumoren in die Grade G1-3 unterteilt.

Grading nach der Mainz-Klassifikation

Grading Kerne Nukleolen Mitosen Sonstiges
1 regelmäßig, rund, in der Größe normaler Tubuluszellkerne nicht vergrößert fast keine
2 im Vergleich zu normalen Tubuluskernen vergrößert, mäßige Unterschiede in Größe und Form vergrößert, meist 1-2 gelegentlich
3 beträchtlich vergrößert, ausgeprägte Polymorphie und Hyperchromasie z.T. stark vergrößert, in der Regel mehrere häufig, auch atypisch Riesenkerne, vielkernige Riesenzellen

Bei den Wachstumstypen unterscheidet man kompakte, azinäre, tubolopapilläre oder zystische Tumoren. Eine Mischform ist möglich.
Zytogenetisch sind die verschiedenen Tumoren durch spezifische Veränderungen charakterisiert:

Histologischer Typ Häufigkeit Kennzeichen
Klarzelliges Karzinom 83% hoher Glykogen und Lipidgehalt, helles Zytoplasma, solides bis zystisches Wachstumsmuster, Differenzierungsmerkmal: prox. Tubuluszellen
Papilläres Karzinom 11% häufig multiples Auftreten, Makroskopisch Nekrosen erkennbar, histol. papilläres und tubuläres Wachstum, Differenzierungsmerkmal: prox. Tubuluszellen
Chromophobes Karzinom 5% feingranuläres nicht transparentes Zytoplasma, solides Wachstumsmuster, Differenzierungsmerkmale des dist. Tubulussystems
Sammelrohrkarzinom <1% tubuläre Strukturen, ausgeprägte Desmoplasie des Tumorstromas , enthält sarkomartige Anteile mit Spindelzellen
Unklassifiziertes Karzinom <1%

Symptome
Leitsymptomtrias des Nierenzellkarzinoms sind ein tastbarer Tumor, Hämaturie und Flankenschmerzen. Weiterhin treten bei 30% der Patienten auch unspezifische Symptome wie Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme und Anämie auf. Da das Nierenkarzinom im Frühstadium asymptomatisch verläuft, wird der Tumor oft erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Bei bis zu 30% der Patienten haben sich zu diesem Zeitpunkt bereits Metastasen abgesiedelt.

Diagnostik
Labor:
Bei ca. 60% aller Patienten ist zumindestens temporär eine Makrohämaturie und/oder eine Erythrozyturie nachweisbar. Bei ca. 30% der Patienten entwickelt sich eine Anämie mit erniedrigten Serumferritinwerten. Im Rahmen des paraneoblastischen Syndroms kann es weiterhin zu einer Hyperkalziämie, Erhöhung der AP, des Prolaktins, von Enteroglukagon, Parathormon, Renin, Alphafetoprotein und Insulin kommen.
Bildgebung: Die Aufgabe der Bildgebung ist es, Tumoren und Metastasen näher zu klassifizieren und gutartige Veränderungen wie Zysten Pseudozysten und Abszesse auszuschließen.
Zu den bildgebenden Verfahren zählen:

  • Sonografie (Differentialdiagnostische Abgrenzung zu Zysten)
  • Ausscheidungsurogramm (nur noch bei V.a. Nierenbeckentumoren)
  • MRT
  • CT (Lokale Tumorausbreitung, Fernmetastasen)
  • Skelettszintigrafie (Knochenmetastasen?)

Biopsie:
Sie dient der Diagnosesicherung, und kann entweder unter Ultraschallkontrolle (Feinnadelbiopsie) oder CT-gesteuert (Stanzbiopsie) erfolgen.

Therapie
Operative Therape:
Die Therapie des Nierenzellkarzinoms umfasst neben der Nierenteilresektion, die vor allem bei sehr kleinen Tumoren (T1a Tumoren, meist Zufallsbefunde) durchgeführt wird, auch die radikale Nephrektomie. Die Indikation zur radikalen Nephrektomie ist derzeit gegeben bei:

  • Tumoren, die größer als 4-5 cm sind
  • Tumoren, die sich aufgrund ihrer Lokalisation für eine Resektion nicht eignen
  • gleichzeitiger Befall von Nebennieren, Lymphknoten, oder bei Tumorthromben.

Sie sollte dagegen nicht durchgeführt werden bei:

  • Einzelniere
  • Funktionsstörung der zweiten Niere
  • bilaterale Tumoren

Medikamentöse Therapie:
Zur Zeit stehen eine Vielzahl von verschieden Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

  • Targeted Therapy (Blockade von Wachstumsfaktoren, Angiogenesehemmer, Hemmung von intrazellulären Informationskaskaden)
  • Immuntherapie (Interferon und Interleukin-2 Gabe)
  • Chemotherapie (geringe Effektivität, häufige Kombination: 5-FU und Vinblastin)
  • Radiotherapie (palliative Therapie bei Knochenmetastasen)

Prognose
Der entscheidende Faktor für die Prognose von Nierenzellkarzinomen ist die Metastasierung (Lymphknoten und Fernmetastasen). Beim Auftreten von Metastasen beträgt die mediane Überlebenswahrscheinlichkeit gerade noch 18 Monate.
Durch den Einsatz der Sonographie werden die meisten Tumoren heute jedoch in einem frühen Stadium meist als Zufallsbefund im Rahmen anderer Untersuchungen entdeckt. Ihre rechtzeitige Behandlung hat daher einen positiven Einfluss auf die Prognose.
Als zwei weitere wichtige Prognosefaktoren neben der Metastasierung spielen noch der Differenzierungsgrad und der histologische Typ eine Rolle. Während chromophobe und papilläre Karzinome eine günstigere Prognose haben, ändert sich dies bei der sarkomatoiden Differenzierung, welche mit einer medianen Überlebensrate der Patienten von <1 Jahr einhergeht.

Bearbeiter: Janina Wolf
Letzte Änderung: 27.07.2012