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6.2 Tumorpathologie


6.2.1 Präkanzerosen

Präkanzeröse Bedingungen: Sie umfassen Erkrankungen und Risikobedingungen, die mit einer erhöhten Häufigkeit maligner Tumoren einhergehen.

Beispiele für präkanzeröse Bedingungen:

  • Dominant vererbliche Erkrankungen (Neurofibromatose, Xeroderma pigmentosum)
  • Karzinom in der Anamnese oder familiäre Belastung
  • Exposition gegenüber karzinogenen Substanzen (z.B.: Chemotherapie)

Klinische Konsequenz: primäre Krebsprävention.

Präkanzeröse Läsionen: Sie sind umschriebene oder diffuse histologische Gewebsveränderungen. Sie sind zwar Präkanzerosen im engeren Sinne, allerdings aber nicht metastasierungsfähig.

Beispiele für präkanzeröse Läsionen:

  • umschriebene Veränderungen: kolorektales Adenom, Dysplasie der Zervixschleimhaut und der Bronchialschleimhaut.
  • diffuse Veränderungen: Colitis ulcerosa, Polyposis coli.

Klinische Konsequenz: sekundäre Krebsprävention.

6.2.2 Begriffliches

Tumor: irreversible und autonome Gewebsneubildung (syn.: Neoplasma)

Nota bene:

  • Nicht jeder Tumor ist irreversibel (spontane Remission).
  • Viele Tumoren sind nicht vollständig autonom (Hormonabhängikeit z.B. bei Mamma-Ca oder Prostata-Ca).

Dignität: biologisches Verhalten eines Tumors

  • benigne (“gutartig”): nicht metastasierungsfähig
  • maligne (“bösartig”): Tumor mit der Fähigkeit zur Metastasierung (“Malignom”)
  • semimaligne: lokal destruierendes Wachtum, nicht metastasierungsfähig (Basaliom)
  • intermediär: Malignitätspotential nicht sicher beurteilbar (bestimmte Weichteilsarkome)
  • Borderline: niedriges Malignitätspotential (bestimmte Ovarialtumoren)

Nota bene:

  • Gutartige Tumoren können zum Tode des Patienten führen.

Beispiele:

  • Meningeom mit Kompression des Hirnstamms
  • Vorhofmyxom mit Verlegung der Mitralklappe
  • Lebensbedrohliche Hypoglykämie bei Insulinom

Bestimmte maligne Tumoren können eine sehr geringe Gefahr für den Patienten darstellen.

Beispiele:

  • Kleines, hochdifferenziertes Mammakarzinom bei älteren Patientinnen
  • Chronische lymphatische Leukämie
  • Okkultes Prostatakarzinom

Histologische Malignitätskriterien

  • strukturell: Invasion, Pattern etc.
  • zytologisch: Kernpleomorphie, Kern-Plasmarelation, Mitosen, Kernatypien und Hyperchromasie der Tumozellen

Klassifikation
je nach Ausgangs- oder Muttergewebe:

  • Karzinom (maligner epithelialer Tumor)
  • Sarkom (maligner mesenchymaler Tumor)
  • malignes Lymphom (mal. Tumor des lymphatischen Systems)
  • maligner Keimzelltumor
  • malignes Melanom
  • maligner neurogener Tumor

Besondere Begriffe

  • Carcinoma in situ
  • Mikro-Karzinom / mikroinvasives Karzinom
  • Frühkarzinom des Magens

Metastasierung: Bildung von Tochtergeschwülsten

Metastasierungswege

  • intrakavitär
  • lymphogen (regionär, Fernlymphknoten, tertiäre Lymphknotenmetastasen)
  • hämatogen

Rezidiv: Lokoregionäres Rezidiv, Fernmetastasen

6.2.3 Tumorklassifikation

Histologische Kategorisierung: Beurteilung maligner Tumoren

Typing: Histologischer Tumortyp

Der histologische Tumortyp ist inorganspezifischen Klassifikationssystemen festgelegt und international vereinheitlicht (WHO-Klassifikation der Tumoren).

Grading: Malignitätsgrad, Differenzierungsgrad

Man gliedert die Tumore je nach Ausdifferenzierung ihrer Zellen (anhand der Ähnlichkeit mit dem Normalgewebe) in drei Differenzierungsgrade (G1-G3) vs. 4 Grade (WHO-Empfehlung). Dabei spielen strukturelle & zytologische Kriterien eine wichtige Rolle. Es kann auch zu einer Mischdifferenzierung kommen.

Staging: Anatomische Tumorausbreitung

Für die Stadieneinteilung entsprechend der anatomischen Tumorausbreitung wird das TNM- (Tumor, Node, Metastasis-) System angewandt. Die Definitionen sind organbezogen.

  • TNM: klinisches Tumorstadium (präoperativ)
  • pTNM: pathologisches Tumorstadium (postoperativ)

1. T-Kategorie (Ausbreitung des Primärtumors: T0 – T4, TX)
T: Die T-Kategorie gibt die direkte Tumorausbreitung organspezifisch je nach Tumorausdehnung im Ursprungsorgan an.
(Beispiel: Darmwandschichten beim Kolonkarzinom, Tumorgröße beim Mammakarzinom)

2. N-Kategorie (Lymphknotenmetastasen, N0 – N4, NX)
N: Man unterscheidet dabei die lymphogene Metastasierung in die regionären Lymphknoten (N0-N4, NX) von der Metastasierung in Fernlymphknoten ausserhalb des Lymphabflussgebietes.

3. M-Kategorie (Fernmetastasen M0, M1)
M: Fernmetastasen (hämatogen, intrakavitär und Fernlymphknoten).
(Beispiel: Lebermetastasen, Peritonealmetastasen und paraaortale Lymphknotenmetastasen beim Kolonkarzinom)

4. Stadiengruppierung (Zusammenfassung der TNM-Formel)
Bestimmung des Tumorstadiums (I bis III oder I bis IV) anhand der TNM-Formel.
(Beispiel: pT2, N0, M0 entspricht Stadium I)

Bedeutung der Tumorklassifikation (Typing, Grading, Staging)

  • Schätzung der Prognose, des natürlichen Verlaufs
  • Therapieplanung, Beurteilung des wahrscheinlichen Ansprechens auf verschiedene Therapiemodalitäten (z.B. Chirurgie, Chemotherapie, Radiotherapie)
  • theoretische Bedeutung: Grundlage epidemiologischer (Ursachenforschung) und klinischer (Therapie-) Studien
Bearbeiter: Peter Sinn
Letzte Änderung: 25.07.2012