Definition
Das maligne Pleuramesotheliom ist ein aggressiver solider Tumor der Pleura, der von mesothelialen bzw. submesothelialen Zellen der Pleura ausgeht und ein diffuses Wachstumsmuster aufzeigt.1,3 Weitaus häufiger als MPM sind metastatische Absiedlungen anderer Tumoren oder eine Pleurakarzinose.2 Das MPM ist mit Asbestexposition assoziiert und kommt bei betroffenen Personen ca. 1000x häufiger vor als in der Normalbevölkerung.3 1977 wurden erstmals durch Asbest verursachte Mesotheliome in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt und in die Berufskrankheitenverordnung (Listen-Nr. 4105) aufgenommen.2Epidemiologie
Aufgrund der beruflichen Asbestexposition sind Männer weitaus häufiger betroffen als Frauen.2,9 Das Manifestationsalter liegt in Deutschland in der 6. Lebensdekade2,3 Es ist zu erwarten, dass die Inzidenz und Mortalität in den nächsten Jahren stark zunehmen wird.3 Aktuell werden im Deutschen Mesotheliomregister in Bochum jährlich über 500 neue Erkrankungsfälle vermerkt.2 In Westeuropa werden bis zum Jahr 2030 ca. 250000 männliche Mesotheliomtote prognostiziert.3 Derzeit sind ca. 90% im Deutschem Mesotheliomregister erfasste maligne Mesotheliome asbestassoziiert.2
Aufgrund der langen Latenzzeit zwischen Asbestexposition und Beginn der Erkrankung,9 als auch dem steigenden Verbrauch von Asbest bis Mitte der siebziger Jahre wird der Gipfel der diagnostizierten Mesothelomfälle bis zum Jahr 20202 erwartet.3,10 Die Inzidenz der nicht asbestassoziierten MPM beträgt in etwa 1-2:1000000 Einwohner.2,9 Die Latenzzeit zwischen Beginn der Asbestexposition und der Tumormanifestation beträgt im Durchschnitt 30 Jahre,2,10 bei einer Schwankungsbreite von 10-60 Jahren.3,6,9 Die Asbestexposition muss dabei nur ca. 15 Jahre, im Extremfall auch nur wenige Wochen betragen.2,3,6
Ätiologie und Pathogenese
Makroskopie
Kleinknotige Veränderungen im Bereich der Pleura parietalis kennzeichnen das frühe Stadium eines maligen Pleuramesothelioms.1 Mit zunehmendem Tumorwachstum kommt es zur Fusion der Knoten, später zur Verwachsung der Pleurablätter mit Beteiligung der Pleura visceralis,1 bis im fortgeschrittenen Stadium meist ein mantelförmiges, gleichmäßig die Lunge umschließendes, bevorzugt basal akzentuiertes, weißes, derbes teils pseudozystisches Fremdgewebe zur Darstellung kommt.2 Die Tumorausbreitung erfolgt entlang der Interlobärspalten1 und führt zu einer Obliteration der komplementären Pleurablätter.2 Beim sarkomatoiden Typ kommt es im Gegensatz zum epitheloiden Typ erst sehr spät zur Infiltration in das angrenzende Lungenparenchym.1,2 Im Spätstadium finden sich dann auch vermehrt intrapulmonale Tumorknoten.2
Abb. 446: Schnittfläche des OP-Präparates mit fast vollständige zirkulärer tumoröser Ummauerung der Lunge mit kontinuierlicher Tumorausbreitung entlang der interlobulären Pleura pulmonalis.
Mikroskopie
Histologisch werden drei Haupttypen beim MPM unterschieden: einen epithelialen Typ (40-60% aller MPM), einen sarkomatoiden oder mesenchymalen Typ (20-30% aller MPM) und einen biphasischen Typ (20-30% aller MPM).1 Als vierte Form gibt es noch einen desmoplastischen Typ, der jedoch einen besonders aggressiven Subtyp der sarkomatoiden Variante darstellt.1
Abb. 445: Drüsenähnliche Tumorformationen umgeben von einem faserreichen Stroma
Immunhistochemie
Zu den Antikörpern welche Mesotheliomzellen markieren, gehören Mesothelin, Calretinin (v.a. epitheloide MPM1 ),2 Thombomodulin und HBME-1.3,9 Ein positiver Nachweis von Zytokeratin 5/6 (v.a. sarkomatoide MPM1 )2 und Vimentin2 bei fehlendem Nachweis von CEA ist immunhistochemisch wegweisend für ein MPM.3,6 Darüber hinaus kann der beim MPM fehlende Nachweis der monoklonalen Antikörper Leu-M1 (CD15) und Ber-EP4 zur Differentialdiagnose gegenüber dem Adenokarzinom herangezogen werden.3,6
Wichige immunhistochemische Kriterien um ein Mesotheliom von einem Adeno-CA zu unterscheiden beinhalten:
Zytologie
Die zytologische Untersuchung gewonnener Exsudate kann in bis zu 50% positive Ergebnisse bringen.3,6 Die Differenzierung gegenüber einer Pleurakarzinose bei einem Adenokarzinom oder reaktiv veränderten Mesotheliomzellen kann sich jedoch als schwierig herausstellen.1,3 Sarkomatoid differenzierte MPM lassen sich in der Zytologie nicht diagnostizieren.1 Der immunhistochemische Nachweis von p53 gilt als wichtiger Hinweis für Malignität,3 der Nachweis von EMA (epithelial membrane antigene) als ein Hinweis für ein MPM.9 Zur differentialdiagnostischen Abgrenzung zwischen mesothelialer Herkunft und epithelialen Zellen einer Pleurakarzinose können ergänzende immunzytochemische Untersuchungen hinzugezogen werden.1,6
Frühe neoplastische Läsionen der Pleura
Staging
Das Staging der MPM richtet sich nach der TNM Klassifikation.1,8 Die Entwicklung des TNM Systems beruht auf der Kategorisierung prognostisch identischer Patientenkollektive, und trägt damit zur Entwicklung neuer therapeutischer Optionen bei.8 Das Stagingsystem beurteilt die Bestimmung des lokalen Tumorausmaßes, des Lymphknotenbefalls und einer möglichen Fernmetastasierung.8 Die genannten Faktoren stehen nachweislich mit der Gesamtüberlebenszeit des MPM in Verbindung.8
Klinik
Da das klinische Bild anfänglich recht unspezifisch ist, vergehen zwischen dem Auftreten der ersten Symptome, und der Diagnosefindung oft 3-6 Monate.4 Die häufigsten Symptome bei einem malignen Pleuramesotheliom umfassen therapierefraktäre bzw. rezidivierende Pleuraergüsse (30% der Patienten9 ), (Belastungs-) Dyspnoe (bei 90% der Patienten4 ) und dumpfe schlecht lokalisierte Thoraxschmerzen auf der betroffenen Seite, die sich beim Auftreten eines Pleuraergusses nicht bessern.2,3 Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust treten in bis zu 15% der Fälle auf.3 B-Symptomatik, obere Einflussstauung,9 Dysphagie, Heiserkeit9 und Hornersyndrom finden sich vor allem in fortgeschrittenen Stadien.3,4 Ein trockener Reizhusten ist selten.3
Anamnese und körperliche Untersuchung
Von großer Bedeutung zur Diagnosefindung ist die Berufsanamnese, und hier vor allem der Nachweis einer stattgehabten Asbestexposition.3,6,9 Bei der körperlichen Untersuchung findet sich oft vermindertes Atemgeräusch4 vor allem dann, wenn ein Erguss besteht.3 Palpaple Tumormassen,3 eine Asymmetrie des Thorax, eingeschränkte oder aufgehobene Atemexkursionen in der betroffenen Thoraxhälfte und eine supraklavikuläre Lymphknotenvergrößerung4 sind neben einer schmerzbedingten Schonhaltung im fortgeschrittenen Stadium mögliche Untersuchungsbefunde.3,4 Seltenere Erstmanifestationen umfassen eine Perikardtamponade (Infiltration des Peri-/Myokards4 ) und ein Aszites (Tumorpenetration des Zwerchfells mit Erreichen des Peritoneums4 ).3,9 Paraneoplastische Syndrome sind eher ungewöhnlich und umfassen u.U. eine hämolytische Anämie, eine Hypercalciämie und eine Hypoglykämie.
Diagnostik
Abb. 355: Röntgen Thorax; an der lateralen Thoraxwand von der Pleurakuppel bis in den Randwinkel des rechten Hemithorax reichende 1-2 cm breite Pleuraverdickung. En face getroffen erzeugen die Pleuraverdickungen flaue rundliche Fleckschatten über allen Lungenfeldern. Lateraler Randwinkel verschattet, Mediastinalkontur rechts durch rundliche Verschattungen deformiert und aufgeweitet.
Abb. 352: CT-Thorax (Weichteilfenster), gleiche Raumforderung wie im Knochenfenster. Der Ösophagus kann nicht sicher von Tumorgewebe abgegrenzt werden. Weiterhin finden sich rechtsseitig in der oberen Thoraxapertur und mediastinal Lymphknotenmetastasen.
Differentialdiagnose
Therapie
Die Operation stellt die einzig mögliche kurative Therapie dar.4 Im Stadium pT1 kann eine parietale oder die kombiniert parietale-viszerale Pleurektomie unter Belassen der Lunge in Kombination mit hilärer und mediastinaler Lymphadenektomie ausreichend sein.4
In etwas fortgeschrittenen Stadien ist dagegen die P3D-Operation, bei der die betroffene
P leura, die P ulmo, das P erikard und das D iaphragma en bloc reseziert werden, die einzige Möglichkeit auf Kuration.4,10,11
Ein weiteres operatives Verfahren umfasst die zytoreduktive Operation (Pleurektomie/Dekortikation (P/D)), bei der der Tumor in der Regel nicht in Sano reseziert wird.9,11 Die Sterblichkeitsrate bei diesem Verfahren liegt unter 5% und ist damit niedriger als bei der P3D-Operation. (Sterblichkeitsrate von 3,4-8%11 )9
Als kleinster palliativer Eingriff kann eine videothorakoskopische Talkumpleurodese versucht werden.4,9,11 Patienten im Endstadium der Erkrankung profitieren gelegentlich von einer dauerhaften Ergussableitung über eine Drainage.4,9,11
Da weder eine alleinige Chemotherapie noch eine alleinige Radiotherapie oder die alleinige OP das Überleben signifikant bessern, und es trotz aggressiver lokaler therapeutischer Maßnahmen bekannt ist, dass ein frühes Lokalrezidiv fast die Regel ist, kommt in spezialisierten Zentren immer mehr ein multimodales Therapiekonzept zur Anwendung.4
Als Chemotherapeutika findet vor allem die Kombinationstherapie aus Cisplatin und Permetrexed in der First Line Therapie Anwendung.9,10 Die Kombination der beiden Chemotherapeutika erhöht neben der Lebensqualität auch die Überlebensrate.10 Eine weitere bevorzugte Kombination umfasst Doxorubcin und platinbasierte Chemotherapeutika, in den letzen Jahren auch Gemcitabine.10 Aber auch Anthracycline und Anthracenedione, Aklylantien, Vinkaalkaloide, Antimetabolite und Taxane werden in der Therapie des MPM eingesetzt.10 Ein Standard für eine Second Line Therapie existiert derzeit nicht.10 In einigen Studien werden jedoch Vinkaalkaloide mit ermutigten Ergebnissen empfohlen.10
Die Chemotherapie kann auch intrapleural verabreicht werden,10 wobei deren Effektivität aufgrund der Studienlage derzeit noch unklar ist.11
Die Strahlentherapie erfolgt als Hemithorax- (54Gy11 ) und/oder Mediastinalbestrahlung,4 und dient vorwiegend der lokalen Tumorkontrolle.9 Bei intraoperativ verbliebenen Tumormassen oder infiltrierten Lymphknoten kann zusätzlich eine Boost-Dosis von 14Gy verabreicht werden.4 Die palliative Bestrahlung findet bei der oberen Einflussstauung, der Dyspnoe und in der Schmerzbekämpfung Anwendung.9
Als neue Verfahren werden neben einer Gentherapie, eine fotodynamische Therapie und die Immuntherapie in klinischen Studien getestet.6 Der therapeutsche Wert der VEGF-Hemmung durch MoAbs und Small Molecule TKI ist derzeit Gegenstand von klinischen Studien.10 Gleiches gilt für den EGFR-Pathway.10
Prognose
Die mittlere Überlebensdauer wird mit ca. 4-18 Monaten angegeben.3,4Ursache für die schlechte Prognose ist neben einer relativen Resistenz gegenüber Strahlen und Chemotherapeutika auch die heute noch häufig zu spät gestellte Diagnose.3 Die meisten Patienten mit einem MPM versterben an respiratorischer Insuffizienz.9 Eine frühzeitige Diagnostik, sowie das Vorliegen eines epithelialen Tumortyps, eine geringe Tumormasse, ein freier Pleuraspalt, Beschränkung des Tumors auf eine Thoraxhöhle, Alter <50, weibliches Geschlecht, tumorfreie Resektionsränder und tumorfreie extrapleurale Lymphknoten können die Prognose der Patienten verbessern, und ein medianes Überleben von 51 Monaten sichern.3,4
Weiterführende Literatur
Pathologie der primären Pleuratumoren
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Referenzen
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2 M. Krismann, K.M. Müller; Malignes Mesotheliom der Pleura, des Perikards und des Peritoneums; Chirurg 2000; 71: 877-886
3 S.Sohrab, N.Konietzko, Diagnostik und Stadieneinteilung des malignen Pleuramesothelioms, Pneumologie 2002; 56: 382-387; Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York
4 H. Dienemann, C. Trainer, Mesotheliom der Pleura und des Peritoneums-Diagnostische und therapeutische Folgerungen; Chirurg 2000; 71: 887-893
5 M. Krismann et al., Praktische Differentialdiagnose präneoplastischer Veränderungen der Pleura und früher mesothelialer Neoplasien; Pathologe 2006; 27:99-105, Springer Medizin Verlag
6 S. Sohrab et al., Das maligne Pleuramesotheliom, Dt Ärztebl 2000; 97: A3257-3262 (Heft 48)
7 R. C. Bittner, Bildgebende Diagnostik bei Pleuraerkrankungen, Pneumologe 2004; 58:238-254
8 Z. J. Wang, MD et al.; Malignant Pleural Mesothelioma: Evaluation with CT, MR Imaging, and PET; RadioGraphics 2004; 24:105-119
9 A. J. Moore, R. J. Parker, and J. Wiggins; Malignant mesothelioma; Orphanet Journal of Rare Diseases 2008; 3:34
10 D. A. Vorobiof, K. Mafafo; Malignant Pleural Mesothelioma: Medical Treatment Update; Clinical Lung Cancer, Vol. 10, No.2, 112-117, 2009
11 A. S. Tsao, R. Mehran, J.A. Roth, Neoadjuvant and Intrapleural Therapies for Malignant Pleural Mesothelioma; Clinical Lung Cancer, Vol. 10, No.1, 36-41, 2009
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Weiterführende Literatur