Aktuelle Anamnese
Ein 32-jähriger chinesischer Graffitikünstler, der sich vor zwei Monaten in Münster niedergelassen hat, klagt über ihm völlig unerklärliche Flankenschmerzen, die drei Tage nach einem harmlosen und inzwischen abgeklungenen Infekt der oberen Luftwege aufgetreten sind.
Körperlicher Untersuchungsbefund
Allgemein: RR 125/80, HF 72/min. Allgemeinzustand und Ernährungszustand gut.
Herz: Herztöne rhythmisch, regelmäßig und deutlich abgrenzbar, keine Herzgeräusche
Lunge: Sonorer Klopfschall, vesikiläres Atemgeräusch, normale Atemverschieblichkeit.
Sonstiges: Die Nierenlager des Patienten sind klopfempfindlich.
Labor
Parameter | Werte | Normbereich | Einheit |
---|---|---|---|
CRP | 9,9 | bis 5 | mg/l |
IgA | 7,9 | 0,7-4 | g/l |
S-Harnstoff | 33 | 12-50 | mg/dl |
S-Kreatinin | 1,0 | bis 1,1 | mg/dl |
Kreatininclearance 24 h | 153 | über 110 | ml/min |
Urinstatus
Klinische Differentialdiagnose
Pathologischer Befund
Zur Etablierung einer histologischen Diagnose wird eine Nierenbiopsie entnommen und erreicht nun den Pathologen mit folgenden Angaben:
Material: Nierenstanze
Klinische Angaben: bestehende Hämaturie ohne Proteinurie
Makroskopie: 1,2 cm große Nierenstanze
Virtuelle Mikroskopie
HE-Färbung
Diagnose
IgA-Nephritis
Lichtmikroskopie
Die IgA-Nephritis wird immunhistologisch durch ein charakteristisches baumartig verzweigtes Ablagerungsmuster von IgA-Komplexen im Mesangium diagnostiziert. Dabei kommt es zu einer Verbreiterung des Mesangiums mit Proteindepots und einer Mesangiumproliferation.
Klinische Korrelation bei IgA-Nephritis
Die IgA-Nephritis (Syn.: IgA-Nephropathie, Morbus Berger) ist die häufigste Glomerulonephritis und ganz besonders im asiatischen Raum verbreitet. Das Erkrankungsalter liegt klassischerweise zwischen 20 und 40 Jahren. Männer sind 2 bis 3 mal häufiger betroffen als Frauen.
Ätiologie und Pathogenese sind unklar. Man vermutet eine vermehrte Bildung von strukturell verändertem IgA in den peripheren lymphatischen Gewebe der Luftwege im Gefolge respiratorischer Infekte. Zirkulierende IgA-immunkomplexe werden im Mesangium abgelagert. Die anschließende Komplementaktivierung führt zur Mesangiumzellproliferation und Mesangiumamtrixvermehrung. Tierexperimente weisen u.a. auf eine Rolle von TGF-ß hin, da mit einem Antikörper gegen TGF-ß eine Mesangioproliferation verhindern werden konnte.
Die IgA-Nephritis verläuft in 75% der Fälle asymptomatisch und die Diagnose wird oft als Zufallsbefund gestellt. Typisch ist eine Mikrohämaturie mit oder ohne Proteinurie. Nach 1 bis 3 Tage nach einem unspezifischen Infekt der oberen Atemwege kann sich eine intermittierende Makrohämaturie mit begleitenden Flankenschmerzen entwickeln. Die Schmerzen können durch einen Kapselschmerz bei Nierenschwellung erklärt werden. Eine endgültige Diagnose lässt sich nur histologisch durch das Vorhandensein von IgA-Immunkomplexen stellen.
Bei 25% der Patienten ist die Prognose gut.
Bei 50% der Patienten kommt es vor allem bei Auftreten von Hypertonie und zunehmender Proteinurie im Verlauf von 10 bis 20 Jahren zur Progression der Erkrankung und zu terminaler Niereninsuffizienz. Ca. 25% der Fälle mit einem nephrotischen Syndrom und/oder raschem Verlust der Nierenfunktion haben eine ungünstige Prognose. Bei Patienten mit nephrotischem Syndrom und raschem Funktionsverlust oder stark nephritischer Komponente liegt eine Indikation zur Therapie mit Kortikostereoiden über acht Wochen und die zusätzliche Gabe von Cyclophosphamid in “Pulse”-Therapie vor, um die akute Komponente der Erkrankung abzuschwächen.
Nephropathologie - weitere Kasuistiken
Nephropathologie - Literatur
Organpathologie-Atlas