Anamnese
Beschwerdefreier 11-jähriger Patient mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis coli (FAP) und chronischer Anämie.
Klinische Untersuchung
Guter AZ und EZ. Herz: Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche, HF 92/min rhythmisch. Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche. Abdomen: keine Narben erkennbar, keine Abwehrspannung, kein Druckschmerz auslösbar, Leber und Milz nicht vergrößert. Nieren beidseits klopfschmerzfrei.
Labor
Parameter | Werte | Normbereich |
---|---|---|
Natrium | 138 | 135-145 mmol/l |
Kalium | 3,6 | 3.5-5.0 mmol/l |
Calcium | 2,4 | 2.1-2.65 mmol/l |
Quick | 91 | 70-125 % |
PTT | 23,1 | -35 s |
Leukozyten | 4,3 | 4.5-13.0 /nl |
Hb | 8,6 | 11.5-15 g/dl |
Thrombozyten | 362 | 180-530 /nl |
Koloskopie
Die Kolonschleimhaut ist übersät mit multiplen Polypen, beginnend im Rektum und über die gesamte Länge des Kolon reichend, bis zum Zökum. Aufgrund der endoskopisch nicht resezierbaren Polypen erfolgte nach Aufklärung und Befunddiskussion mit dem Patienten eine Kolektomie.
Procedere
Totale Kolektomie mit Ileumpouch-Anlage.
Makroskopische Befund
72 cm langes totales Kolektomiepräparat mit vollständigem Ersatz der Kolonmukosa durch dichtliegende, rasenartige Polypen (s. Makrobild).
Makroskopischer Aspekt des OP-Präparates (zum Vergrößern klicken).
Diagnose
Poyposis coli mit multiplen (> 100), gut differenzierten tubulären Adenomen.
Histologie
Zahlreiche polypöse, adenomatöse Epithelproliferationen, ausgehend von der Kolonmukosa. Das Oberflächenepithel mehrreihig, stäbchenförmig, mit geringen Zellatypien. Die Lamina muscularis mucosae intakt. Tumorfreie perikolische Lymphknoten.
Virtuelle Mikroskopie
Postoperativer Verlauf
Die Operation verlief komplikationslos. Die Stuhlfrequenz zeigte nach Entfernung des Schienungskatheters eine Frequenz von ca. 4 –6 Stühle pro Tag. Die Abschlussdiagnostik erfolgte mittels Rektoskopie. Hierbei zeigte sich eine leichte irritable Schleimhaut bei sonst unauffälliger Inspektion des Pouches. Die digitale Untersuchung zeigte eine gute Sphinkterfunktion. Der Patient konnte in gutem Allgemeinzustand entlassen werden. Endoskopische Kontrollen werden anfangs halbjährlich empfohlen.
Weiterführende Infos zu FAP
Definition: Auftreten multipler ( >100) kolorektaler Adenome nach dem 15. Lebensjahr (variable Expressivität), Adenome auch in Magen und Duodenum möglich. Aus diesen Adenomen können Karzinome entstehen (obligate Präkanzerose mit Karzinomrisiko 100%).
Das Durchschnittsalter eines FAP-Patienten beträgt beim Auftreten eines Kolonkarzinoms ca. 40 Jahre. Die häufigste Adenomform ist, wie bei den sporadisch auftretenden kolorektalen Adenomen, das tubuläre Adenom (75%): gestielt, meist gut differenziert mit geringerer Entartungstendenz. Seltener kommen villöse Adenome vor (10%): breitbasig aufsitzend mit höherer Entartungstendenz. Bei FAP handelt es sich meist um einen autosomal-dominant vererbten Gendefekt (Mutation des APC – Tumorsuppressorgens), seltener um einen autosomal-rezessiven Erbgang mit Mutation des DNA-Reparaturenzyms MUTYH.
In ca. 25% d.F. handelt es sich um Neumutationen des APC-Gens.
Therapie: nach der Pubertät und bei endoskopisch nicht kontrollierbarem Befund (nicht resezierbare Polypen, high grade dysplasie, Karzinom) totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines kontinenzerhaltenden ileoanalen Pouches.
Da es sich bei FAP um eine genetische Erkrankung handelt, empfiehlt man zusätzlich eine humangenetische Beratung.
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Bilder
Abb. 507: Adenom bei FAP
Abb. 511: Makroskopischer Aspekt des Kolon nach Aufschneiden und Formalinfixation (in Höhe des Colon ascendens). Multiple Polypen.
Kolon und Rektum - Lehrtexte
Kolon und Rektum - weitere Kasuistiken
Kolon und Rektum - Literatur
Organpathologie-Atlas